I. Einleitung
Ganz herrschend wird in Korea die Ansicht vertreten, die Zivilrechtsordnung kenne neben der Verjährung noch zweites Rechtsinstitut, das die Ausübung subjektiver Rechte in zeitlicher Hinsicht beschränkt. Die Rede ist von der sog. Ausschlussfrist. Dem koreanischen BGB (zum folgenden „KBGB“) selbst ist der Begriff der Ausschlussfrist allerdings unbekannt. Und das KBGB hat das Verhältnis der Verjährung zu den Ausschlussfristen nicht klar entschieden; namentlich hat es keine allgemeinen Bestimmungen für die Ausschlussfrist getroffen. Entsprechend schwer fällt es daher der h.A., passende Kriterien für die Abgrenzung zwischen Verjährung und Ausschlussfrist aufzustellen. Diesen Schwierigkeiten dennoch gehen Lehre und Rechtsprechung in Korea mehrheitlich davon aus, dass es sich bei Verjährung und Ausschlussfrist um zwei eigenständige und wesensverschiedene Rechtsinstitute handelt, die auch jeweils unterschiedlichen Regelungen folgen. Worin nun der behauptete Wesensunterschied zwischen den beiden Instituten liegt, darüber konnte bisher keine vollständige Einigkeit erzielt werden; weder konnten Rechtsprechung und Rechtswissenschaft bislang überzeugende Kriterien aufstellen, die eine verlässliche Zuordnung bestimmter Fristen zu den Verjährungs- oder Ausschlussfristen möglich machen; noch ist abschließend geklärt, worin sich Verjährung und Ausschlussfristen auf der Rechtsfolgenseite unterscheiden.
Bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass die Unschärfen des Ausschlussfristbegriffs und vor allem die Schwierigkeiten bei der Abgrenzung von Ausschlussfristen und Verjährung letztlich auch daher rühren, dass in der zivilrechtlichen Doktrin in Korea bis heute keine Klarheit darüber besteht, wie das Verjährungsregime des KBGB in seinem Grundfesten aufgebaut ist. Welche Funktion hat die Verjährung? Wo liegen die Grenzen ihres Anwendungsbereichs? Welche sind die konkreten Rechtsfolgen des Fristablaufs? All diese Fragen lassen sich für das koreanische Recht nicht ohne weiteres beantworten. Erst wenn aber geklärt ist, auf welche Rechte die Verjährung einwirkt, warum und in welcher Weise sie das tut, kann man sich sinnvoll mit dem Themenkreis der Ausschlussfristen beschäftigen.
Angesichts der vielen offenen Fragen im Zusammenhang mit der Verjährung und den Ausschlussfristen erscheint mir eine Analyse dieser beiden Erscheinungsformen der zeitlichen Rechtsausübungsbeschränkung lohnend. Im folgenden soll nach einer detaillierten Darstellung des bisherigen Meinungsstandes der Frage nachgegangen werden, ob es in der koreanischen Privatrechtsordnung tatsächlich auch ein wesensverschie- denes Rechtsinstitut der Ausschlussfristen, also eine zweite von der Verjährung klar abgrenzbare Art des säumnisbedingten Rechtsverlustes, gibt.
II. Arten von Ausschlussfristen
Von den anspruchsbegrenzenden Ausschlussfristen sind die sich auf Gestaltungsrechte beziehenden Ausschlussfristen zu unterscheiden. Dies beruht auf den zwischen Gestaltungsrechten uns Ansprüchen bestehenden Divergenzen.
1. Gesetzliche Ausschlussfristen (1) Anspruchsbegrenzende Ausschlussfristen (2) Gestaltungsrechte beziehende Ausschlussfristen 2. Vertragliche Ausschlussfristen (1) Anspruchsbegrenzende Ausschlussfristen (2) Gestaltungsrechte beziehende Ausschlussfristen
III. Der behauptete Wesensunterschied zwischen Verjährung und Ausschlussfristen
1. Die unterschiedlichen Aufgaben von Verjährung und Ausschlussfristen
Ein wesentlicher Unterschied zwischen Verjährung und Ausschlussfristen soll nach einer in Korea wiederholt vertretenen Ansicht zunächst schon in der divergierenden rechtspolitischen Zielsetzung liegen. Die Verjährung bezwecke die Rechtssicherheit und den Rechtsfrieden, den Schutz vor Beweisschwierigkeiten des Gegners des säumigen Rechtsinhabers. Demgegenüber sei der Zweck von Ausschlussfristen eine mögliche rasche Klärung der Rechtslage.
Verjährung und anspruchsbegrenzende Ausschlussfristen dienen m.E. dem gleichen Zweck und sind nur verschiedene Wege zur Erreichung desselben Ziels. Die charakteristische Besonderheit der Gestaltungsrechte besteht dagegen in der einer Person eingeräumten Rechtsmacht, einseitig in die Rechtsverhältnisse einer anderen Person einzugreifen. Diese Person muss, wenn sie schon der fremden Gestaltung unterworfen ist, vor Unbilligkeiten geschützt werden. Da sie sich nicht der fremden Gestaltung entziehen kann, darf sie insbesondere auch keiner Ungewissheit ausgesetzt sein. Dies zu erreichen ist Sinn und Zweck der Ausschlussfristen, die derartige Rechte zum Gegenstand haben. Damit unterscheidet sich der Zweck solcher Ausschlussfristen jedoch erheblich von den Aufgaben der Verjährung. Während diese in erster Linie einen Anspruchsverpflichteten vor einer Beweisnotsituation un einer übermäßigen Beeinträchtigung seiner Dispositionsfreiheit zu schützen beabsichtigt, bezwecken die Ausschlussfristen, die Gestaltungsrechte betreffen, weder der Schutz dieser Person noch den Schutz vor einer Beweisnotsituation.
2. Zum Gegenstand beider Fristen
Ausschlussfristen und Verjährung werden in der deutschen Rechtslehre zunächst nach ihrem Gegenstand unterschieden: Während sich die Verjährung gemäß den §§ 194 ff. BGB nur auf Ansprüche beziehe, bestünden Ausschlussfristen für die Geltendmachung jeder Art von Rechten.
Im Gegensatz zu den meisten anderen Zivilrechtsordnungen Europas beschränkt sich der Gegenstand der Verjährung im koreanischen Recht nicht auf den Bereich der Ansprüche bzw. der Forderungen. Das weite Verjährungskonzept des KBGB umfasst grundsätzlich jede materielle subjektive Vermögensrechte (§ 162). Im Prinzip verjährt daher auch jedes über einen gewissen Zeitraum hinweg nicht ausgeübte Herrschaftsrecht. Das hier formulierte Ergebnis ist allerdings deshalb ein bloß vorläufiges, weil eine gründliche und eingehende Untersuchung des Verjährungsgegen- standes nicht an diesem Punkt enden kann. Wie jeder Grundsatz bedarf auch die allgemeine Regel der Verjährbarkeit aller Rechte gewisser Einschränkungen. Bei der Frage, wo genau die Grenze zwischen verjährbaren und unverjährbaren Rechten zu ziehen ist, herrscht indessen keine Übereinstimmung.
3. Die Wirkung des Fristabalufs
Anders als im deutschen Zivilrecht, führt das Verstreichen einer Verjährungsfrist im koreanischen Zivilrecht zum Verlust des Rechts. Trotzdem behaupet die koreanische h.A.: Die auf einen verjährten Anspruch erbrachte Leistung können nicht zurückgefordert werden. Dagegen habe für eine nach Ablauf einer Ausschlussfrist erbrachte Leistung infolge des Anspruchsuntergangs kein rechtlicher Grund mehr vorgelegen, so dass sie jedenfalls bei Unkenntnis der Ausschlussfrist nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung zurückgefordert werden könne. Dass sich diese Ausführungen sinnvollerweise nur auf die Verjährung von Ansprüchen beziehen können, nicht aber auch auf die Verjährung anderer rechtlicher Befugnisse, ist bei näherer Betrachtung augenscheinlich: Einem Herrschaftrecht kann im Allgemeinen keine Einrede entgegenhalten werden. Aufgabe der Einrede ist es, einem Recht die klagsweise Durchsetzbarkeit dauerhaft oder vorübergehend zu entziehen. Da nun aber Herrschaftsrecht in aller Regel nicht durch Klage ausgeübt werden, kann der Verjährungsseintritt in diesem Bereich keine Einrede zum Entstehen bringen.
4. Die Wahrnehmung des Fristablaufs
Der angeblich zwischen Verjährung und Ausschlussfristen bestehende Wesensunterschied soll ferner eine unterschiedliche Behandlung bezüglich der Wahrnehmung des Frsitablaufs rechtfertigen; Der Ablauf einer Ausschlussfrist sei im Prozess von Amts wegen zu beachten, während die Verjährung im Rechtsstreit nur berücksichtigt werden dürfe, wenn sich der Verpflichtete hierauf berufe.
Diese unterschiedliche Ausgestaltung erklärt sich aus der in § 214 Abs. 1 BGB vorgesehenen Rechtswirkung der Verjährung. Im Prozess dürfen Einreden nämlich nur beachtet werden, wenn die Voraussetzungen des Einrederechts gegeben sind und der Berechtigte sich auf die Einrede beruft. Dagegen hätte das Gericht die Verjährung dann von Amts wegen zu beachten, wenn deren Fristablauf unmittelbar zum Erlöschen der Rechtsposition führen würde und die Verjährung somit als Einwendung ausgestaltet wäre.
5. Die Hemmung und Unterbrechung der Frist
Die überkommende Ansicht hat aus der angeblichen Wesensverschiedheit von Verjährung und Ausschlussfristen darüber hinaus gefolgert, dass es bei Ausschlussfristen - im Gegensatz zu den Verjährungsfristen - eine Hemmung oder Unterbrechung des Fristenlaufs nicht gibt. Offenbar hat man eine analoge Anwendung der einschlägigen verjährungsrechtlichen Bestim- mungen deshalb abgelehnt, weil sich eine Hemmung oder Unterbrechung der Ausschlussfrist nur schwer mit dem ihr zugrunde liegenden Zweck, der raschen Klärung der Rechtslage, vereinbaren lässt.
Die Hemmung der Verjährung beruht auf dem Gedanken, dass die Zeit, während der der Gläubiger den Anspruch wegen rechtlichen oder tatsächlichen Hindernissen vorübergehend nicht geltend machen kann, bei sachgerechter Interessenabwägung nicht in die Verjährungsfrist einbezogen werden darf. Leitender Grundgedanke ist hier daher, dem Berechtigten nicht einem Zeitraum zum Nachteil gereichen zu lassen, während dessen er zur Verfolgung seines Anspruchs aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht in der Lage war. Demgegenüber soll bei der Unterbrechung dem rechtspolitischen Grundgedanken der Verjährung entsprechend diese dann nicht Platz greifen, wenn der Berechtigte durch sein Verhalten zum Ausdruck bringt, dass er an der Realisierung seines Rechtes auch wirklich Interesse hat, in dem er vor allem Maßnahmen zur Verfolgung seines Rechtes dem Schuldner gegenüber ergreift. Die Ausschlussfrist dagegen nimmt auf den Zustand des Anspruchs keine Rücksicht. Sie ist ein einmalig an ihn herantretendes Ereignis, das Klarheit einmal zugunsten des Bestehens geschaffen worden, so hat die Frist ihre Aufgabe erfüllt und für alle Zeiten erledigt, auch wenn der Anspruch infolge völliger Untätigkeit der Beteiligten seine Kraft ganz verliert.
6. Abänderbarkeit der Fristen
Schließlich wurde versucht, die Verjährung von den Ausschlussfristen anhand des Kriteriums der Verlängerbarkeit bzw. Abkürzbarkeit der Frist abzugrenzen. Für die Verjährungsfristen findet sich diesbezüglich in § 184 Abs. 2 KBGB eine ausdrückliche Anordnung: Im Voraus - nach der m.E. zutreffenden h.M. ist damit „vor Ablauf der Verjährung“ gemeint - kann auf die Verjährung wirksam nicht verzichtet werden. Zudem ist eine vertragliche Fristverlängerung ausgeschlossen. Vor dem Ende der Verjährungsfrist können demnach zwar - argumentum e contrario - Verkürzungsabreden getroffen werden. Verzichts- und Verlängerungsvereinbarungen sind dagegen ungültig.
Auf Ausschlussfristen soll die Bestimmung des § 184 Abs. 2 KBGB hingegen keine Anwendung finden. Obwohl keine andere gesetzliche Regelung existiert, die den Grundsatz der Vertragsfreiheit für den Bereich der Ausschlussfrist auf vergleichbare Weise einschränkt, sind nach der h.M. letztlich Vereinbarungen unzulässig, die eine Verkürzung der Ausschlussfrist bzw. eine entsprechende Erleichterung vorsehen.
IV. Die Schwierigkeiten bei der Qualifikation einer Fristbestimmung als Verjährungs- oder Ausschlussfrist
Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass Verjährungs- und Ausschlussfristen von der koreanischen h.A. in vielen Bereichen unterschiedlich behandelt werden. Aus diesem Grund kommt der Feststellung der Rechtsnatur einer bestimmten Frist entscheidende Bedeutung zu. Angesichts der teilweise konträren Rechtsfolgen von Verjährung und Ausschlusfrist hängt der Ausgang eines Prozesses mitunter von der richtigen Qualifikation der einschlägigen Fristbestimmung ab. Gerade die Zuordnung einer Frist zur einen oder zur anderen Kategorie bereitet aber oftmals Schwierigkeiten, fehlt es doch an einem griffigen Unterscheidungskriterium.
V. Resümee
Die vorhergehenden Ausführungen haben gezeigt, dass die Abgrenzung der Verjährungs- und Ausschlussfristen nicht immer leicht fällt. Da die Verjährung nach Ablauf einer vom Gesetz vorgegebenen Zeitspanne eintritt, besteht aus diesem Grund eine Übereinstimmung mit Ausschlussfristen, für welche ebenfalls der Ablauf einer bestimmten Zeitspanne prägend ist. Deshalb muss man fragen, ob angesichts dieser Übereinstimmung überhaupt eine strikte Differenzierung zwischen verschiedenen Fristenkategorien möglich und sinnvoll ist. Bejaht werden kann dies nur, wenn sich neben der Frist weitere Merkmale zur Unterscheidung der einzelnen Fristentypen herauskristallisieren lassen. Befasst man sich mit der zu diesem Thema ergangenen Literatur, zeigt sich sehr schnell, dass es zwei verschiedene Ansätze gibt, um die aufgeworfene Frage zu lösen. Zum einen wurde versucht, solche Unterschiede herauszuarbeiten, welche der jeweiligen Frist immanent sind, weil sie sich aus ihrem Wesen ergeben. Zum anderen wurden gewisse Unterscheidungsmerkmale im Wege des Vergleichs der einfach- gesetzlichen Ausgestaltung der Fristen herausgearbeitet. Retrospektiv lässt sich dabei feststellen, dass der erste Ansatz zu enormen Schwierigkeitem führt und deshalb nicht besonders Erfolg versprechend erscheint. Denn es lässt sich kaum ausmachen, was gerade für das Wesen einer bestimmten Frist typisch sein soll. Die weitgehende Fruchtlosigkeit dieser Diskussion zeigte sich unter anderem bei der Erörterung der Rechtsfolgen der Verjährung. Allein aus dem Begriff der Verjährung lässt sich nicht ableiten, ob sie nun den Untergang eines Rechts bewirkt oder zu einem Leistungsverweigerungsrecht für den Verpflichteten führt. Vergegen- wärtigt man sich, dass historisch die Begriffe der Verjährung, Ausschlussfrist, Befristung, Verwirkung etc. überhaupt nicht auseinander gehalten wurden, deutet alles auf einen fließenden Übergang zwischem diesen Instituten hin. Das, was heute als Verjährung bezeichnet wird, hätte theoretisch durchaus anders bezeichnet werden können und umgekehrt. Es ist primär Sache des Gesetzgebers, wie er einen Fristentyp einfach- gesetzlich ausgestalten und benennen will. Da ihm hierbei ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht, kann er verschiedene Fristentypen entwickeln und diese unter Umständen erheblich aneinander annähern.
Von den gesetzlichen anspruchsbegrenzenden Ausschlussfristen sind die sich auf Gestaltungsrechte beziehenden gesetzlichen Ausschlussfristen zu unterscheiden. Dies beruht auf den zwischen Gestaltungsrechte und Ansprüchen bestehenden Divergenzen. In aller Regel werden die Ausschlussfristen durch die Vornahme der nach dem Gesetz erforderlichen Handlung endgültig gewahrt. Im Gegensatz dazu führen Rechtsverfolgungs- maßnahmen bei der Verjährung lediglich zu einer Suspendierung des Fristtablaufs oder dem Neubeginn der Frist. Die Verjährung ist elastisch und dauert letztlich so lange an, bis es irgendwann zum Verjährungseintritt kommt.
Kaum geklärt wurde bislang, in welchem Verhältnis Verjährung und Ausschlussfrist zueinander stehen. Denkbar ist, dass sie sich gegenseitig ausschließen, sie parallel zueinander bestehen oder sich die beiden Rechtsinstitute kombinieren lassen. Grundsätzlich dürfte die Beantwortung dieser Frage erheblich von der Ausgestaltung der einzelnen Frist abhängen. Wurde die Ausschlussfrist gewahrt, besteht der Anspruch weiterhin. Jetzt macht die Verjährungsfrist durchaus Sinn, weil der Anspruch nunmehr einer weiteren zeitlichen Schranke unterliegt. Sie verhindert, dass der zwar geltend gemachte, aber aufgrund irgendwelcher Umstände nicht erfüllte Anspruch noch nach hundert Jahren zu begleichen ist. Sämtliche mit der Verjährung verfolgten Zwecke kommen zum Tragen. Sie stellt eine Reaktion auf die Beweisprobleme nach langer Zeit dar, dient dem Schutz des Verpflichteten und trägt zur Rechtssicherheit und zum Rechtsfrieden bei.